Von Christian Wewezow und Doreen Geisenhainer
„Guerilla-Marketing“ is a body of unconventional ways of pursuing conventional goals. It is a proven method of achieving profits with minimum money. (Jay Conrad Levinson, zitiert von Schulte (o.J.))
Revolutionär, flexibel, rebellisch und taktisch kluges Handeln. Zudem überraschend, einfallsreich, spontan und besonders effizient. All diese Eigenschaften beschreiben nicht nur den herkömmlichen Guerilla-Begriff, sondern ebenfalls die gleichnamige Marketingform. Die Bezeichnung „Guerilla-Marketing“ wurde durch den Amerikaner Jay Conrad Levinson geprägt, der im Jahre 1984 sein erstes Buch mit dem Titel „Das Guerilla Marketing Handbuch“ veröffentlichte. Während alternative Werbeformen früher noch ein eher „wildes“ und jugendliches Image besaßen, sind sie heute zum festen Bestandteil im Marketingmix geworden. Ein Beispiel für diese ausgefallene Art des Marketings ist eine Reihe von Werbespots, in denen Prominente bekennen: „Ich habe AIDS“. Darunter Udo Walz, Janine Steeger und Herbert Knaup – Menschen, die fast jeder in Deutschland kennt. Der Zuschauer ist überrascht von der Nachricht und schockiert zugleich: „Was? DIE haben alle AIDS?“ Ein paar Sekunden nach dieser Aussage fahren die Prominenten fort „….nicht vergessen. Und du?“ (vgl. Schindler, 2009). Die Botschaft wird schnell deutlich und die „Vergiss Aids nicht“-Kampagne hat ihr Ziel erreicht, nämlich die Zuschauer aufmerksam zu machen und zum Nachdenken anzuregen.
Wozu Guerilla-Marketing?
Die Notwendigkeit neuer Strategien ist offensichtlich: Der Markt wächst stetig, die Produktpalette wird größer und der Wettbewerb demzufolge schärfer. Durch die Fülle an Dienstleistungen und Waren unterscheiden sich die angebotenen Güter in vielen Märkten nur noch geringfügig voneinander – genau wie ihre Vermarktung. Laut Statistik des Chartered Institute of Marketing (CIM) wird der Verbraucher jeden Tag mit durchschnittlich 1500 Werbebotschaften konfrontiert, in Form von Plakaten, Fernsehspots, Radioreklame, Werbungen an Autos und Fenstern, Zeitungsanzeigen und so weiter (vgl. Bleh, 2001). Der Großteil wird von den Menschen sofort wieder vergessen oder bleibt völlig unbeachtet. Um sich also heute von der breiten Masse abheben zu können, muss man mit hochwertigem Marketing punkten und neue Wege abseits der klassischen Strategien einschlagen. An dieser Stelle kommt schließlich das Guerilla-Marketing ins Spiel. Mit Hilfe von unkonventionellen Marketingmitteln sollen die typischen Standards durchbrochen werden und potenzielle Kunden durch spektakuläre Aktionen überrascht werden – ganz ohne großen Mitteleinsatz. Daher ist diese Form des Marketings auch besonders für kleine und mittlere Unternehmen geeignet, welche sich trotz eines kleinen Budgets gegen die großen Firmen behaupten müssen.
Idee statt Budget
Prinzipiell findet im Guerilla-Marketing alles einen Platz, was provoziert, überrascht, schockiert und auch einmal das eine oder andere Tabu bricht – sprich alles was sich von traditionellen Werbemitteln unterscheidet und das Augenmerk der Leute auf die Werbung richtet. Ganz nach dem Motto „Werbung kann auch Spaß machen“ soll dem Publikum etwas Besonderes und nicht Alltägliches geboten werden. Aktionen mit großem Erinnerungspotenzial und Unterhaltungswert geben später den Anreiz, mit anderen Menschen darüber zu sprechen und die Werbebotschaft zu verbreiten. Vorsicht ist allerdings bei ethischen Thematiken geboten, da der Grat zwischen Unterhaltung und Anstößigkeit hier oftmals sehr schmal ist. Als Beispiel zu nennen wären hier die Werbekampagnen des italienischen Modeherstellers Benetton, welcher seit den 80er Jahren immer wieder mit seinen schockierenden Maßnahmen ins Licht der Medien rückte. Dazu zählen unter anderem Bilder von zum Tode verurteilten Gefangenen in amerikanischen Gefängnissen und der blutverschmierten Kleidung eines bosnischen Soldaten (vgl. Treichl, 2007). Zudem ist es ratsam, die juristische Sachlage vor jeder Aktion genau abzuklären, sonst können unter Umständen hohe Bußgelder drohen.
Erfolg durch Regelbruch
In etlichen Fällen des Guerilla-Marketings setzen die Macher allerdings gezielt auf Regelverletzung. So nehmen einige Firmen beispielsweise das Ordnungsgeld für die illegale Nutzung öffentlicher Flächen in Kauf, wenn sie aus dieser Werbung einen vielfachen Wert schöpfen können. Wenn es durch diese Rechtswidrigkeit auch noch in den Fokus der Medien gerät, bekommt das Unternehmen sogar zusätzliche PR ohne einen finanziellen Mehraufwand.
Für den Netzbetreiber Vodafone rannte beispielsweise ein nackter Mann bei einem Länderspiel in Australien über das Spielfeld. Auf seinem Körper war das Vodafone-Logo gemalt und sowohl jeder Fußballfan in dem voll besetzten Stadion als auch alle anwesenden Vertreter der Medien wurden potenzielle Verbreiter der Werbebotschaft (vgl. Zerr, 2003). Trotz allem können die Guerilla-Maßnahmen natürlich kein klassisches Marketing ersetzen und sollten daher nur einen kleinen Teil der Kommunikation darstellen. Sie lassen sich beispielsweise gut als „Vorbote“ für eine konventionelle Werbekampagne einsetzen, bei welcher sie die Menschen bereits auf die Marke aufmerksam machen und für sie sensibilisieren. Im Sinne des klassischen AIDA-Modells stellt das Guerilla-Marketing auf diese Weise eine geeignete Methode zum Erregen von Aufmerksamkeit dar.
Aufmerksamkeit im Alltagstrott
Zur Umsetzung dieser außergewöhnlichen Marketingform werden, wie in der klassischen Werbung auch, viele verschiedene Taktiken angewandt. Dazu gehört beispielsweise das Streetbranding, bei welchem mittels einer negativen Schablone und einem mobilen Hochdruckreiniger die gewünschten Botschaften in verschmutzte Straßen gebrandet werden. So machte sich etwa der Global Player Nike die aufsehenerregende Wirkung dieser Methode zu Nutze, um Werbebotschaften vor seinen Filialen zu platzieren (vgl. Boomerang Medien GmbH, 2008). Weitere Taktiken wären z.B. Skinvertise (Werbung auf sichtbaren Stellen der Haut), Bluejacking (Senden von Nachrichten via Bluetooth), öffentliche Rekordversuche und vieles mehr. Dabei ist vor allem Mut zur Aktion gefragt, frei nach dem Motto „Geht nicht gibt’s nicht und Nein heißt eigentlich Ja“ (Stefan Kolle, zitiert von Peymani, 2007, S. 34). Außerdem sollte möglichst eine nachvollziehbare Botschaft und eine Verbindung zum „Absender“ vermittelt werden. Andernfalls kann es schnell zu Verwirrung bei den Konsumenten kommen. Die Werbung muss letztendlich in den Alltag der Menschen unübersehbar eingebaut werden – auf dem Weg zur Arbeit, beim Checken der Emails, bei der Freizeit und so weiter. Durch eine Art positive Belästigung sollen sie die Aktion bewusst wahrnehmen und sich später daran erinnern können. Im Idealfall wird dabei der bekannte „Wow-Effekt“ ausgelöst, welcher das Geschehen noch nachhaltiger in der Erinnerung des Konsumenten verbleiben lässt. Das Guerilla-Marketing ist so nicht nur eine gute Variante um den Bekanntheitsgrad des Unternehmens und der Marke zu steigern, sondern ebenfalls um deren Image positiv zu beeinflussen. Dies ist sicher einer der Gründe, warum sich dieses Mittel einer immer größeren Beliebtheit erfreut.
Guerilla-Marketing – ein globaler Trend
Noch vor einigen Jahren stellten die beschriebenen Maßnahmen ein reines Mittel der kleinen Unternehmen dar, da sie sich mit dieser billigen Methode gut gegen das Marketing der großen Konzerne durchsetzen konnten. Heute hat es sich jedoch bis auf die Marketingebene der Global Players verbreitet und wird auch dort sehr erfolgreich angewandt. Burger King, BMW Mini, Google und Microsoft sind dabei nur wenige Beispiele. Doch trotz allen positiven Argumenten sollte die Effizienz dieser Maßnahme einer ständigen Erfolgskontrolle unterliegen. Dazu müssen je nach den Zielsetzungen der Kampagne mehrere Kennzahlen aus den Bereichen Marketing, Finanzierung und Controlling kombiniert werden (vgl. Raithel et al., 2008). Mehr zu dem Thema können Sie in dem Artikel „Marketingmessung“ auf Seite 1 dieser Ausgabe nachlesen. In der täglichen Flut an Informationen aufzufallen ist letztendlich keine leichte Aufgabe und wird jeden Tag schwerer. Das Guerilla-Marketing bietet sich dabei jedoch als ideales Instrument für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) an. „Nicht nur weil KMU generell ein kleineres Marketing-Budget zur Verfügung haben, sondern weil die charakteristischen Merkmale des Guerilla Marketing wie Schnelligkeit, Flexibilität und Kreativität gerade von kleineren Unternehmen leichter umzusetzen sind.“ (Thomas Patalas, MAKS – Marketing und Kommunikationsservice, zitiert von Schulte, o.J.). Und da außergewöhnliche Maßnahmen schließlich auch häufig außergewöhnliche Erfolge erzielen, dürfte es sich durchaus lohnen, einmal etwas Neues, Unkonventionelles auszuprobieren.
Literatur
Bleh, W. (2001): Breitenwirkung der TV-Werbung ungebrochen. http://www.intern.de/news/1776.html, Erstellungsdatum: 04.05.2001, Abrufdatum: 20.04.2009.
Boomerang Medien GmbH (2008): Street- Branding für NIKE – Guerilla-Marketing-Aktion für ausgewählte Zielgruppe. http://pressetext.at/news/080618019/street-branding-fuer-nike, Erstellungsdatum: 18.06.2008, Abrufdatum: 21.04.2009.
Levinson, J.C: Guerilla-Marketing des 21. Jahrhundert – Clever Werben mit jedem Budget, Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2008.
Miethaner, R. (2007): Guerilla-Marketing- ver-rückt aber nicht verrückt. http:// www.wirtschaftsbrief.info/business-karriere/ guerilla-marketing-ver-rueckt-aber-nicht-verrueckt.html, Erstellungsdatum: 19.07.2007, Abrufdatum: 20.04.2009.
Peymani, B. (2007): Guerilla – Marketing – Werben mit „Aha“-Effekt. ProFirma, 2007, Ausgabe April 2007, S. 32-34.
Raithel S., Scharf S., Schwaiger M. (2008): Marketingerfolg richtig messen: Optimale Kennzahlensysteme, Marketing Review St. Gallen, 2008, Ausgabe 2-2008, S. 8-13.
Schulte, T. (o. J.): Definition Guerilla Marketing, Guerilla Marketing Portal, http://www.guerilla-marketing-portal.de/index.cfm?menuID=87, Abrufdatum: 20.04.2009.
Schulte, T. (2009): Guerillamarketing. http:// www.guerilla-marketing-portal.de/index.cfm? menuID=120, Abrufdatum: 20.04.2009.