Wertorientiertes Vertriebscontrolling – ein Instrument zur Umsetzung kundenorientierter Unternehmensführung

von Christian Wewezow und Stefanie Langner

„In den Vorstandsetagen sowie in den Aufsichts- und Beiräten kommt es zu einem Paradigmenwechsel.“ [1] Wo früher Finanzexperten saßen, bilden heute immer häufiger Vertriebs- und Marketingmanager den Kopf eines Unternehmens. Wie kommt es zu diesem Wechsel und wer nimmt diese Positionen ein bzw. ist es möglich, dass sich Unternehmen mit Hilfe eines effizienten und effektiven Vertriebscontrollings kundenorientiert ausrichten können?

Bezüglich der Begriffe Vertrieb, Vertriebssteuerung oder Vertriebscontrolling ist innerhalb der anerkannten Literatur im Hinblick auf eine Definition keine Einigkeit zu konstatieren.
Zu den Aufgaben des Vertriebscontrollings zählen primär Entscheidungs-, Steuerungs- und Überwachungsfunktionen. Neben der Koordination der Vertriebsplanung fallen auch das frühzeitige Aufdecken von Planungslücken oder die erfolgsbezogene Planung und Kontrolle von Vertriebsressourcen und –aktivitäten in dessen Aufgabenbereich. Des Weiteren ist das Vertriebscontrolling zuständig für Soll/Ist-Vergleiche, Wirtschaftlichkeitsanalysen, Analysen der Kosten-, Risiko- und Ertragssituation im Vertrieb, sowie Sonderanalysen [2] und Effizienzanalysen zur Aufdeckung von Schwachstellen. Um alle diese Aufgaben optimal erfüllen zu können, bedarf es einer zeitnahen Sammlung und Aufbereitung relevanter Informationen [3]. Hierzu zählen vor allem Daten über die aktuellen Marktgeschehnisse, Kundeninformationen, sowie Auskünfte über Aktivitäten der Wettbewerber. Das Vertriebscontrolling bildet demnach die Basis für eine effiziente Vertriebssteuerung [4]. Das Ziel des Vertriebscontrollings ist eine ertragsorientierte Steuerung der Geschäftstätigkeit im Hinblick auf die festgelegten Vertriebs- und Unternehmensziele.

Vorteile und Probleme

Laut Stefan Duderstadt scheint der Vorteil des wertorientierten Vertriebscontrollings vor allem in der zukünftigen kundenorientierten Ausrichtung der Unternehmen zu liegen. Kundenpotentiale sollen verstärkt ausgeschöpft und Neukunden gezielt akquiriert werden. Nur so lässt sich das Ziel der nachhaltigen Ertragssteigerung, im Vergleich zu anderen Strategien, besser realisieren. Unter der Prämisse „Verbesserung der Kundenorientierung bei gleichzeitiger Kostensenkung“ [5] soll das wertorientierte Vertriebscontrolling als unterstützendes Vertriebsinstrument gesehen werden, um die Balance zwischen Kosten- und Kundeorientierung bestmöglich gestalten zu können.

In jüngster Zeit beginnt sich der Begriff des „Sales Intelligence [6]“, der intelligente Vertrieb, zu etablieren. Duderstadt versteht hierunter den „vertriebsrelevanten Teil des Business Intelligence“. Demnach kommt dem Vertriebscontrolling auch die Aufgabe der informationstechnischen Unterstützung zu, um somit kundenbezogene Entscheidungen über den gesamten Vertriebsprozess hinweg optimieren zu können [7].

Vielen Unternehmen mangelt es jedoch an der nötigen Methodik hinsichtlich der Umsetzung und Implementierung eines wertorientierten Vertriebscontrollings. Erfolgspotenziale werden nicht ausgeschöpft  oder bleiben sogar unerkannt. Ein weiteres Problem könnte auch das nicht Vorhandensein eines Vertriebsmanagement sein, welches für ein Vertriebscontrolling Vorrausetzung ist. Auch die Kundenabwanderungsgefahr spielt eine große Rolle, wenn die Anpassung des Leistungsportfolios an variierende Kundenwünsche zu lange dauert [8]. All diese Defizite und deren Ausprägung hängen aber stark von der Unternehmensgröße, sowie –struktur ab.

Möglicher Lösungsansatz: Das Vertriebskennzahlensystem (VKZ)

Kennzahlen sind komprimierte Daten bezüglich quantitativer Tatbestände [9].  Sie dienen der Darstellung von Zielen und erreichbaren Ergebnissen im operativen Bereich und stellen einen Leitfaden zur Umsetzung der festgelegten Ziele dar. Desweiteren bilden sie, in unterstützender Funktion, die Grundlage für das Controlling.\

Abbildung 1: Die Prozessfolge im Vertrieb als Grundlage für das VKZ [10] (auf das Bild klicken um zu öffnen)

Die Aufgabe des Vertriebs ist es, neben dem Verkaufs-Know-How auch ein Wissensmanagement im Unternehmen zu implementieren. Um dies zu realisieren, ist es notwendig den Vertriebsprozess ergebnisorientiert zu steuern. Hierfür ist es essentiell, relevante Vertriebskennzahlen auszuwählen und ein geeignetes Kennzahlensystem aufzubauen. Dieses System sollte als Grundlage der Vertriebsplanung dienen. Bei der Konzipierung des Systems ist vorrangig auf die richtige Wahl der Kennzahlen zu achten, denn nicht alle Vertriebskennzahlen sind für ein Unternehmen relevant. Ratios sind unternehmensindividuell und orientieren sich an den Unternehmenszielen.

Für den Einsatz von Kennzahlensystemen sind, laut dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM), folgende Regeln zu beachten:

Die Einführung eines Steuerungssystems bedarf der vollständigen Unterstützung durch die Geschäftsführung eines Unternehmens. Des Weiteren sollte die Durchführung als Projekt vollzogen werden, wobei Teams zusammenarbeiten. So werden Betroffene zu Beteiligten, denn ein solches „System muss gelebt werden“ [11], so der Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien. Direkt nach der Einführung sollten daher erste Fakten abgefragt werden. Um eine maximale Aussagekraft von den Ratios zu erhalten, bedarf es immer einer Betrachtung im Gesamtzusammenhang, niemals einzeln.

Einige wichtige Kennzahlen, welche im Bezug auf eine verstärkte Kundenorientierung betrachtet werden sollten, sind neben dem Customer Lifetime Value auch die Wiederkaufrate, das Up- und Cross-Selling-Potenzial, die Mund-zu-Mund-Propaganda und der Customer Equity. Ihre gezielte Analyse und Steuerung können dazu beitragen, dass die Kundenorientierung eines Unternehmens positiv beeinflusst wird.

Im Folgenden soll anhand einer Abwägung aller formulierten Ergebnisse und Schlüsse beurteilt werden, ob wertorientiertes Vertriebscontrolling ein Instrument zur Umsetzung kundenorientierter Unternehmensführung darstellt.

Es wurde konstatiert, dass ein am Kundenwert ausgerichtetes Vertriebscontrolling zukünftig von hoher Relevanz ist. Im Zentrum steht eine leistungsfähige Kombination aus strategischem und operativem Controlling, welche zusammen die Basis für Effizienz, Effektivität und Erfolg darstellen. Erklärtes Ziel der Unternehmer ist der Aufbau von langfristigen und auf Gegenseitigkeit beruhenden Kundebeziehungen, sowie die stetige Neukundenakquise. Damit die angestrebten Ziele erreicht werden, sind einzelne Elemente des Konzepts sowie deren Instrumente, beispielsweise ein Vertriebskennzahlensystem, so auszurichten, dass eine Transformation der strategischen Überlegungen ins operative Geschäft erfolgen kann.

Gemäß den Ergebnissen einer Bachelorarbeit zu diesem Thema bestehen in der praktischen Implementierung der Ansätze, wie beispielsweise dem Aufbau eines wertorientierten Vertriebscontrollings, schwerwiegende Defizite. Das Ziel der verstärkten Kundenorientierung wird nicht vollständig erreicht. Im Folgenden wäre es demnach empfehlenswert, sich zukünftig mit der Erarbeitung eines Praxisleitfadens zu beschäftigen, der diesen Defiziten vorbeugt und geeignete Handlungsanweisungen gibt, wie ein Verwirklichungsprozess erfolgreich verläuft.

Literatur:

Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. BITKOM, Vertriebskennzahlen für ITK-Unternehmen – Leitfaden Vertriebs-Measurement, Berlin 2010.

Duderstadt, Stefan, Wertorientierte Vertriebssteuerung durch ganzheitliches Vertriebscontrolling, 1. Auflage, Wiesbaden 2006.

Meffert, Heribert/ Burmann, Christoph/ Kirchgeorg, Manfred, Marketing- Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 10. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2008.

Rentzsch, Hans-Peter, Welches sind die Erfolgsfaktoren der Vertriebssteuerung? in: VDI (Hrsg.), VDI Berichte, Nr. 1222, Berlin 1995, S. 97-116.

Rossner, Roman, Leserbrief Punktgenaue Zielgruppenansprache, in: Harvard Business Manager, 32. Jahrgang, Juni 2010.

Winkelmann, Peter, Vertriebskonzeptionen und Vertriebssteuerung, 4. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2008.

Anmerkungen:

[1] Rossner, Roman, Leserbrief Punktgenaue Zielgruppenansprache, in: Harvard Business Manager, 32. Jahrgang, Juni 2010, S. 103.

[2] Analysen bezüglich qualitativer Parameter wie Kundenzufriedenheit, Kundebindung, Kundenpflege und Servicequalität.

[3] Vgl. Duderstadt, 2006, S. 32f.

[4] Unter Vertriebssteuerung versteht man „alle Ressourcen des Vertriebs auf die Gewinnung und langfristige Bindung von Kunden zur Erzielung eines Gewinns auszurichten.“; nach Rentzsch, Hans-Peter, Welches sind die Erfolgsfaktoren der Vertriebssteuerung? in: VDI (Hrsg.), VDI Berichte, Nr. 1222, Berlin 1995, S. 97-116.

[5] Vgl. ebd, S. 97-116.

[6] Weitere Definition nach Winkelmann, 2008, S. 63: Business Intelligence beschreibt ein „geschlossenes System alle[r] Methoden, Werkzeuge und Funktionalitäten, mit denen sich Geschäftsinformationen erfassen, analysieren und bereitstellen lassen.“.

[7] Vgl. ebd, S. 631.

[8] Vgl. ebd, S. 631.

[9] Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien e.V. BITKOM, Vertriebskennzahlen für ITK-Unternehmen – Leitfaden Vertriebs-Measurement, Berlin 2010; Meffert, Heribert/ Burmann, Christoph/ Kirchgeorg, Manfred, Marketing- Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 10. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2008, S. 797-801.

[10] Ebd., S. 1.

[11] Ebd., S. 797-801.